Audio: Pietistische Siedlungen im „Heiligen Land“

Vortrag gehalten am 18.03.2021 von Dr. Ralf Balke auf einer Veranstaltung der DIG Stuttgart – Hier mehr Informationen zur Veranstaltung.

 

 

Wer heute den am Fuße des Carmel-Gebirges gelegenen Ben-Gurion-Boulevard in Haifa oder den Stadtteil Emek Refaim in Jerusalem besucht, stößt immer wieder auf Gebäude, über deren Eingänge deutschsprachige Bibelsprüche eingemeißelt sind. Es ist das architektonische Erbe der Templer, schwäbischer Siedler, die nach 1868 ihre Heimat verlassen hatten und im osmanischen Palästina die „Errichtung des Reiches Gottes auf Erden“ planten. Zwar fiel mangels Masse dieses Vorhaben ins Wasser – die palästina-deutsche Gemeinschaft zählte nie mehr als rund 2.500 Personen. Dennoch war das fromme Kolonisationsprojekt der Tempelgesellschaft, einer pietistischen Abspaltung der württembergischen Landeskirche, der erste geglückte Versuch einer europäischen Ansiedlung in der Region seit der Zeit der Kreuzzüge. Über drei Generationen hinweg lebten die palästina-deutschen Siedler nicht mit, sondern neben ihren jüdischen und arabischen Nachbarn. Ab 1931 organisierten sie sich in dem, was später zur Landesgruppe der NSDAP in Palästina werden sollte, wodurch ihre Vertreibung aus dem Land bis 1948 quasi vorprogrammiert war. Der Vortrag soll die Geschichte der Tempelgesellschaft skizzieren und die Mechanismen aufzeigen, die zur der Selbstnazifizierung der Palästina-Deutschen führten.

Dr. Ralf Balke, Historiker, Buchautor, Researcher und Journalist unter anderem für die Jüdische Allgemeine und Jungle World, Dissertationsthema: Die Landesgruppe der NSDAP in Palästina, lebt in Berlin und Tel Aviv.