Israeltag 2019: Rede von Michael Kashi

Michael Kashi ist Vorstandsmitglied der DIG Stuttgart. Seine Rede zum Israeltag 2019 in vollem Wortlaut:

Michael Kashi, DIG Stuttgart

Wenn ich in die Runde blicke, dann sehe ich hier hunderte von Leuten, die gekommen sind, um zu feiern.

Ich sehe Stände von WIZO und der Young WIZO,
von der Deutsch-Israelischen Gesellschaft und
dem Jungen Forum der DIG,
von der jüdischen Gemeinde,
vom forum jüdischer bildung und kultur e.V.,
und vom KKL,
der AG Wege zum Verständnis des Judentums in der
evangelischen Landeskirche,
vom Verein Gegen Vergessen – für Demokratie e.V.,
von den Christen an der Seite Israels,
von Emanzipation und Frieden e.V.,
von Scuba Reisen,
vom TSV Makkabi Stuttgart e.V.,
von der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit und
von der Internationalen Christlichen Botschaft in Jerusalem e.V.

und ich sehe in hunderte erwartungsfrohe Gesichter, die mit uns den 71. Jahrestag der Unabhängigkeit Israels feiern!

Kwod HaRabbanim,
sehr geehrte Generalkonsulin Simovich,
sehr geehrte Bürgermeisterin Fezer,
sehr geehrter Fraktionsvorsitzender Stoch,
sehr geehrte Abgeordnete des Landtags,
sehr geehrte Vertreter des Gemeinderats,
der Kirchen und Religionsgemeinschaften,
liebe Gemeindemitglieder, verehrte Gäste, liebe Freunde,

bereits im Jahre 1938 sagte Golda Meir, die 1969, 31 Jahre später Ministerpräsidentin des Staates Israel wurde, folgendes: „Ich möchte bis zu meinem Tod erleben, dass das Leben der Juden nicht mehr von der Gnade von anderen Menschen hängt.“

Sehr geehrte Damen und Herren, hoch verehrte Gäste,

Jahrhunderte lang entschieden willkürlich, andere Menschen, andere Völker, ob Juden leben sollen oder sterben, ob sie bleiben können oder vertrieben werden. Nur selten konnten die jüdischen Menschen selbst bestimmen, was mit ihnen passierte.

Nur drei Jahre später, nachdem Golda Meir diese Worte gesprochen hatte, wurde hier in Deutschland beschlossen alle jüdischen Menschen zu töten. Nicht nur die jüdischen Menschen hier in Deutschland, sondern in ganz Europa, sogar in der ganzen Welt. Jüdische Menschen, die fliehen wollten, die wussten oft nicht wohin. Manche haben versucht mit Schiffen nach Amerika zu fliehen, doch wurden sie zurück geschickt. Manche versuchten nach Erez Israel, damals britisches Mandatsgebiet Palästina, zu fliehen. Doch die Briten machten die Grenze zu und die jüdischen Menschen mussten zurück nach Europa. Die meisten der an der Flucht gescheiterten haben es nicht überlebt.

Auch nach dem Weltkrieg, als alle das Ausmaß der Katastrophe schon kannten, wollte niemand die Überlebenden aufnehmen. Sie mussten weiter in Lagern bleiben.

Als die Hagana, die jüdische Untergrundbewegung in Palästina versucht hat, jüdische Menschen nach Erez Israel zu bringen, da riefen die Araber: Nur über unsere Leichen! Und die britische Marine schleppte die Schiffe abermals zurück nach Europa. Wieder mussten viele von ihnen zurück in die Lager.

Doch alles hat sich geändert, als David Ben Gurion am He Bei`jar, am fünften des jüdischem Monat I`jar, bzw. am 14.Mai 1948 den Staat Israel proklamierte. Er rief aus: ‘Wir gründen heute den Staat Israel, einen jüdischen Staat. Die Grenzen dieses Staates sind für alle Juden in der Welt offen. Jüdische Menschen können kommen wann sie wollen. Wir fragen nicht warum sie kommen, der Staat Israel ist der Staat für alle Juden in der Welt.‘

Hunderttausende kamen. Sie sind gekommen, obwohl sie wussten, dass in Israel ein Krieg tobte. Israels arabische Nachbarstaaten, aber auch viele der Araber, die im Mandatsgebiet „Palästina“ lebten, schworen ‘alle Juden zu töten und ins Meer zu werfen‘. Doch sie kamen weiterhin, weil niemand sie haben wollte, weil sie genau das erleben wollten, was Golda Meir 31 Jahre zuvor gesagt hatte: Sie wollten erleben, dass nicht andere Menschen über sie bestimmen. Sie wollten, dass ihre Nachkommen in Freiheit, in einem jüdischen Staat leben sollen! – Und Ihnen sind in den nächsten Jahrzehnten weitere Millionen jüdischer Menschen gefolgt.

Aber der Staat Israel hatte nicht nur seine Grenzen offen gehalten. Israel beteiligte sich auch aktiv und half Menschen, nach Israel zu kommen. Israel scheute keine abenteuerlichen Aktionen. Da wo es nötig war, da brachten israelische Soldaten in Nacht-und-Nebel-Aktionen tausende jüdische Menschen aus Gefahrenzonen.

Israel hat sich in den letzten 71 Jahren zu einer kleinen Macht im Nahen Osten entwickelt. Der „Judenstaat“ wurde für die ganze Welt zu einem interessanten und gefragten, politischen wie wirtschaftlichen Partner. Dadurch verbesserte sich jedoch auch die Lage der jüdischen Menschen, die lieber da geblieben sind wo ihre Vorfahren seit Jahrhunderten vorher gelebt hatten. In vielen Länder bekamen die jüdischen Menschen die gleichen Bürgerrechte, wie die nicht jüdische Bevölkerung. Und sie leben dort mit der Gewissheit, dass der Staat Israel immer für sie da ist und – wenn die Lage sich ändert – haben sie in Israel immer einen Zufluchtsort, so wie in den zurückliegenden Jahren für viele jüdische Menschen aus Frankreich, Schweden oder Belgien.

Der Staat Israel oder „Eretz Israel“, „das gelobte Land“, „das Heilige Land“, „das Land in dem Milch und Honig fließen“, „das Land Kanaan“, „Erez Hazwi“, „Erez Chemda“ oder einfach nur „Eretz“, das Land … Millionen Menschen in aller Welt haben so viele liebevolle Namen für dieses kleine Land und dieses kleine Land feiert jedes Jahr im Mai aufs Neue seine Unabhängigkeit. Und mit Israel feiern alle jüdischen Menschen überall in der Welt. Aber nicht nur jüdische Menschen, sondern auch viele Millionen Freunde feiern mit. Und es werden jedes Jahr mehr. Auch hier in Stuttgart.

Und ich danke abschließend nochmals im Namen der israelitischen Religionsgemeinschaft Württemberg ins besonderen meiner Vorstandskolleginnen Barbara Traub und Susanne Jakubowski allen Beteiligten. Vor allem danke ich aber Bärbel Illi von der Deutsch-Israelischen Gesellschaft und Sabina Morein von der internationalen jüdischen Frauenorganisation WIZO, die diesen Tag wieder so wunderbar organisiert haben. Danke unseren beiden Front-Frauen sowie ihren Teams für diese wunderbare Feier!

Nunmehr wünsche ich dem kleinen Land mit den vielen Namen von Herzen alles Gute und uns allen einen tollen und entspannten Nachmittag:
Let’s dream of Israel – lassen Sie uns von Israel träumen!

Schalom.