HISTORISCHES SYMPOSIUM
Donnerstag, 13. November, 14:30 Uhr
Haus der Geschichte, Konrad-Adenauer-Str. 16, Otto-Borst-Saal
Die Referenten:
Dr. Joachim Hahn, Plochingen
Der Neuaufbau der jüdischen Gemeinde in Stuttgart in den ersten Jahren nach 1945
Rabbiner Dr. Joel Berger, Stuttgart
Wie habe ich um 1980 die jüdische Gemeinde in Stuttgart vorgefunden?
Günter Jek, Berlin
Bilanz der Integration der Einwanderer aus den ehemaligen GUS-Staaten
Prof. Dr. Philipp Lenhard, München
Die deutschen Juden und Israel: Geschichte einer Beziehung von den Anfängen bis zum 7. Oktober 2023
Moderation: Susanne Wetterich
Die Wiedergründung der jüdischen Gemeinde in Stuttgart vor 80 Jahren bietet Anlass zum diesjährigen Motto der gesamten Veranstaltungsreihe „Mitten dabei. 80 Jahre jüdisches Leben in Stuttgart“. Davon ausgehend soll das historische Symposium nicht bei Stuttgart und der Zeit nach 1945 stehenbleiben, sondern unter verschiedenen Aspekten die Entwicklung der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland bis heute zum Thema haben.
Bereits kurz nach Kriegsende taten sich in einigen Städten, darunter Stuttgart, jüdische Menschen zusammen mit dem Ziel, ein jüdisches Gemeindeleben wiederaufzubauen. Am 2. Juni 1945 fand in Stuttgart wieder der erste jüdische Gottesdienst statt.
Deutschland wurde in den Folgejahren immer wieder zum Ziel jüdischer Zuwanderer aus Ländern, in denen sie sich bedroht fühlten. Allerdings wanderten im Gegensatz zu Israel und den USA bis zum Fall der Mauer nur einige tausend Jüdinnen und Juden ein.
In der DDR wiederum waren infolge der Verfolgung und Ermordung zahlreicher Jüdinnen und Juden in der stalinistischen Sowjetunion, was auch teilweise auf die DDR überschwappte, viele jüdische Menschen Repressionen ausgesetzt, weshalb etliche von ihnen in die Bundesrepublik flohen.
Seit den 1980er Jahren präsentierte sich die jüdische Gemeinschaft in der Bundesrepublik, vertreten durch den Zentralrat der Juden in Deutschland, zunehmend mit eigenen Initiativen und Forderungen in der Öffentlichkeit. Zudem erstarkte das Interesse an jüdischen Themen und dem Schicksal der Jüdinnen und Juden. Neben das Interesse für die Zeit der Vernichtung trat auch die Beschäftigung mit der reichen jüdischen Geschichte und den Resten des jüdischen Lebens in der Gegenwart. Neue jüdische Museen wurden gegründet und neue universitäre Einrichtungen zur Erforschung und Lehre der jüdischen Geschichte und Kultur eingerichtet.
Dennoch blieb die jüdische Gemeinschaft klein und überalterte zunehmend. Die entscheidende Veränderung kam mit dem Fall der Mauer und der Öffnung der Sowjetunion. Ein Teil jüdischer Auswanderer aus den GUS-Staaten gelangt seitdem nach Deutschland. Innerhalb nur weniger Jahre hat sich die jüdische Gemeinschaft vervierfacht, und sie wächst weiter an.
Infolge des Terrorangriffs am 7. Oktober 2023 häufen sich die antisemitischen Vorfälle und Gewalttaten in Deutschland. Viele fühlen sich ausgegrenzt und bedroht. Ob dies eine erneute Zäsur für die Jüdinnen und Juden in Deutschland darstellt, wird unterschiedlich bewertet.
Der evangelische Theologe Dr. Joachim Hahn wurde 1981 an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen promoviert. Von 1980 bis 2005 war er auf verschiedenen Stationen als Gemeindepfarrer, Studienleiter, Dozent, Schulpfarrer und zuletzt als Kirchenrat für den Evangelischen Oberkirchenrat in Stuttgart tätig. Darüber hinaus engagiert er sich in der Kommunalpolitik.
Angeregt durch Aufenthalte in Israel (seit 1971) verfasste Hahn zahlreiche Bücher und Aufsätze über jüdische Geschichte und Kultur in Südwestdeutschland. Hahn ist darüber hinaus Mitbegründer von Alemannia Judaica (Arbeitsgemeinschaft für die Erforschung der Geschichte der Juden im süddeutschen und angrenzenden Raum). Im Jahr 2000 wurde Hahn in Berlin mit dem Obermayer German Jewish History Award ausgezeichnet, 2009 erhielt er in Stuttgart die Otto-Hirsch-Medaille, 2022 das Bundesverdienstkreuz am Band.
Rabbiner Dr. h.c. Joel Berger wurde 1937 in Budapest geboren und emigrierte 1968 nach Deutschland. Seither war er als Rabbiner in Düsseldorf, Göteborg (Schweden), Bremen und als Landesrabbiner in Stuttgart tätig. Er war lange Jahre Hochschuldozent am Ludwig-Uhland-Institut der Universität Tübingen, die ihm auch den Ehrendoktor verlieh. Er ist Verfasser zahlreicher Veröffentlichungen über Geschichte, Volkskultur und Kulturgeschichte des Judentums, unter anderem die Autobiographie „Der Mann mit dem Hut“ und „Mit Rabbiner Joel Berger durch das jüdische Jahr“. 2019 erschien beim Haus der Geschichte Baden-Württemberg sein Buch „Gesetz – Ritus – Brauch: Einblicke in jüdische Lebenswelten“.
Im Jahr 2001 wurde Berger die Verdienstmedaille des Landes Baden-Württemberg verliehen, 2015 erhielt er das Bundesverdienstkreuz am Bande, 2017 die Bürgermedaille der Stadt Stuttgart.
Joel Berger lehrt und forscht zur jüdischen Heimatgeschichte und publiziert über das Judentum.
Günter Jek studierte Geschichte und Politikwissenschaften in Bochum und Soziale Arbeit in Dortmund. Er leitet das Berliner Büro der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland, des sozialpolitischen Dachverbands der jüdischen Gemeinschaft (ZWST) und betreut primär die Politikfelder Migration, Integration und Soziale Sicherungssysteme.
Die ZWST bildet den Zusammenschluss der jüdischen Wohlfahrtspflege in Deutschland und sieht ihr Hauptanliegen in der Pflicht zur Hilfe im Sinne ausgleichender sozialer Gerechtigkeit. Im Jahr 2024 verzeichnete die ZWST mit rund 6.400 Ratsuchenden, darunter zirka 4.600 geflüchteten Ukrainerinnen und Ukrainer, einen erneut gestiegenen Beratungsbedarf. Diese Zahlen sprechen dafür, dass sich das Beratungsangebot den Auswirkungen stets neuer Krisen stellen und auf die komplexen Bedürfnisse der Ratsuchenden in einem sich schnell verändernden politischen Umfeld reagieren muss.
Prof. Dr. Philipp Lenhard studierte Judaistik, Philosophie und Anglo-Amerikanische Geschichte an der Universität Köln. Nach einem Stipendium beim Internationalen Graduiertenkolleg „Religiöse Kulturen im Europa des 19. und 20. Jahrhunderts“ und Promotion war er 2014 bis 2022 als Akademischer Rat am Lehrstuhl für Jüdische Geschichte und Kultur an der Universität München tätig. Nach einer Vertretungsprofessur am Martin-Buber-Institut für Judaistik der Kölner Universität, Habilitation und einer DAAD-Professur an der University of California, Berkeley vertritt er seit September 2024 den Lehrstuhl für Jüdische Geschichte und Kultur an der Universität München. Für seine Dissertation mit dem Titel „Von Blut und Geist. Die Entstehung moderner jüdischer Ethnizität in Frankreich und Deutschland 1782–1848“ erhielt er den Max-Weber-Preis.
Die studierte Historikerin und gelernte Rundfunkjournalistin Susanne Wetterich ist stellvertretende Vorsitzende der DIG Region Stuttgart.
Veranstalter: IRGW, Haus der Geschichte Baden-Württemberg, Deutsch-Israelische Gesellschaft Region Stuttgart e.V. / Eintritt frei
Anmeldung erbeten an veranstaltungen@hdgbw.de; Telefon Besucherdienst: 0711 / 212 3989
ÖPNV: Haltestelle Charlottenplatz




