Pavel Hoffmanns Rede in Reutlingen

Zum Abschluss der ersten Etappe unserer Ausstellung in Reutlingen hat DIG-Mitglied Pavel Hoffmann die Abschlussrede gehalten. Die Rede vom 24. Oktober 2018 im Wortlaut.

 

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Israel-Freunde,

Zuerst möchte ich eine Botschaft von allen großen deutschen und europäischen Juden wie Imre Kertész, Marcel Reich Ranicki, Ralf Giordano, Leon Winter, Ignac Bubis und Albert Ein-stein, die sich alle entsetzt über den immer währenden Antisemitismus, den man verschämt Antizionismus nennt, geäußert haben, übermitteln. Stellvertretend für alle diese berühmten und geschätzten Menschen hat der Nobelpreisträger und Holocaust-Überlebende Imre Kertész in seinem letzten Werk vor seinem Tod folgende Botschaft an alle Diaspora Juden gerichtet. Ich zitiere: „Ich glaube die europäische Juden begehen einen selbstmörderischen Fehler, wenn sie in das Geheul der europäischen Intellektuellen und Chefbeamten einstimmen, die sie gestern noch ausrotten wollten und jetzt unter dem Vorwand der Kritik an Israel eine neue Sprache für den alten Antisemitismus finden. wieso sollten sie ihre Absichten ändern!“

In diesem Jahr haben die Juden auf der ganzen Welt die Gründung von 70 Jahren Israel gefeiert. Ein Staat, der dafür garantiert, dass es niemand mehr wagt das jüdische Volk zu vernichten. Es ist fast ein Wunder, dass nach elf Kriegen und 70 Jahren Kriegszustand Israel heute so stark ist, dass es für die unterdrückten Völker wie das jesidische, iranische oder das kurdische Volk zum Symbol der Freiheit geworden ist. Nicht einmal das Kreieren eines Volkes der “Palästinenser“ in den 60-er Jahren durch Arafat und die arabischen Staaten, was ausschließlich das Ziel verfolgte, den jüdischen Staat zu vernichten, hat es geschafft, Israel in die Knie zu zwingen. Trotzdem liegt der einzige demokratische Staat im Nahen Osten, der jüdische Staat mit mehr als 7 Millionen Juden und 1,2 Millionen Arabern, vielen der 500 Millionen Europäern und 1,5 Milliarden Moslems schwer in dem Magen.

Im letzten Jahr schlenderte ich über die Allenby Street in Tel Aviv und durch die wunderbare Jerusalemer Altstadt. Ich fühlte mich sicherer, als in vielen europäischen Städten. Ich sprach mit Beduinen, Juden und zionistischen Arabern wie der mutigen Sarah Zoabi, die alle stolz auf ihren Staat sind. Ich dachte mit Wehmut an die vier Generationen meiner Familie – der jüngste zwei und die älteste 80 Jahre alt – die in den Gaskammern von Auschwitz qualvoll ermordet wurden.

Ich möchte aber heute an dieser Stelle auch auf das Schicksal meiner unschuldigen Landsleute, die nicht das Glück wie ich hatten, das größte Verbrechen der Menschheitsgeschichte zu überleben, aufmerksam machen. Es geht um das Schicksal des so genannten Tschechischen Familienlagers in Auschwitz Birkenau. Um Theresienstadt auf die betrügerische Kontrolle des Roten Kreuzes vorzubereiten, hat man im September 1943 zuerst 5.000 und später noch über 12.500 jüdischen Häftlinge nach Auschwitz deportiert. Man wollte es vor dem Besuch des Roten Kreuzes Theresienstadt nicht so voll haben. Das Privileg der ersten 5.000 Häftlinge war, dass die Männer, Frauen und Kinder ohne Selektion und ohne der übliche entwürdigende Kahlscherung fast sechs Monate zusammenleben durften. Nachdem man aber sicher war, dass das Rote Kreuz keine weitere Kontrolle benötigt, hat man auch ohne Selektion fast 4.000 tschechische Juden Männer, Frauen und Kinder in der Nacht vom 8 auf 9 März 1944 in den Gaskammern ermordet.

Das Besondere an diesem Tag war, dass die zum Tod Verurteilten kurz vor der Ermordung die Hatikva – das ist die heutige israelische Hymne – und die tschechische Nationalhymne gesungen haben. Ich möchte damit denen, die den Juden die einzige Nationalheimstätte die sie haben, nicht gönnen, aufzeigen, wie wichtig Israel es auch den Todgeweihten Juden bereits damals war. Die restlichen 12.500 jüdischen Häftlinge hat man in der üblichen Weise d.h. nach einer Selektion in den Gaskammern ermordet. Insgesamt überlebten nur 1.200 Juden von den 17.500 des so genannten Familienlagers.

Nur drei Monate nach diesem Massenmord wurden auf die ausdrückliche Bitte des Führers der arabischen Bevölkerung des englischen Mandatspalästinas, Amin el Husseini, fast 5.000 jüdische Kinder, die ursprünglich im Tausch gegen deutsche Gefangene ins damalige britische Mandat Palästina ausreisen sollten, in den Gaskammern von Auschwitz ermordet. Amin el Husseini, den man bis heute Mr. Palästina nennt, gilt für die meisten Araber immer noch als Held.

Meine Damen und Herren, liebe Israel-Freunde die Welt hat am 27.Januar der ermordeten Juden gedacht. Vor drei Jahren marschierten In Auschwitz vermutlich zum Letzten Mal viele Staatsführer zusammen mit den letzten Shoa-Überlebenden. Es gab allerdings auch etwas, das diesen Tag mit Sinn erfüllte und ihm Würde verlieh. Wie jedes Jahr donnerten auch an diesem 27. Januar israelische Kampfjets im Tiefflug über Birkenau. Das war keine Verletzung der polnischen Lufthoheit und keine artistische Übung einer Kunstflugstaffel. Nicht einmal eine Erinnerung daran, dass die Alliierten es versäumt hatten, Auschwitz zu bombardieren, als die Gaskammern noch in Betrieb waren. Es war eine klare Ansage: Ihr trauert um die Toten, wir kümmern uns um die Lebenden. Und nebenbei: Wenn es uns damals schon gegeben hätte, hätte man nicht gewagt Euch abzuschlachten. Also seid froh, dass es uns gibt. Aus der Vergangenheit haben die Deutschen und die Juden unterschiedlichen Lehren gezogen. „Nie wieder Krieg“ sagen die Deutschen und „nie wieder Opfer“ sagen die Juden. Das erste Versprechen ist inzwischen hinfällig, hoffen wir, dass das zweite für immer anhält.