Solidaritätsreise – Rahat

Am Samstagabend waren wir zum Abschluss der Solidaritätsreise zum Fastenbrechen bei einem der Beduinenstämme in Rahat eingeladen. Scheich Hassan hat uns in seinem Zelt im Viertel seines Clans den Ramadan und Rahat erklärt. Rahat ist die größte Beduinenstadt Israels mit ca. 85.000 Einwohner*innen und geplagt von Problemen wie Armut und Kriminalität. Die Integration in die israelische Gesellschaft verläuft schleppend. Das Verhältnis zwischen den Beduinen des Südens und dem Staat ist gespannt. Und innerhalb der Gesellschaft resultiert der Wandel vom Nomaden- zum Stadtleben in einem Generationenkonflikt.

Scheich Hassan zeigt uns in seinem Büro verschiedene Urkunden und Auszeichnungen für sein Verständigungswerk. Der Scheich ist Friedensrichter, der bei mehr als hundert Streitigkeiten außergerichtliche Reinigungen erzielen konnte, Arbeiter mit islamischen Verbänden zusammen und mit staatlichen Institutionen. Der Scheich engagiert sich im interreligiösen Forum des Negev. Es ist ihm wichtig auf das Gemeinsame zu schauen.

Der 7/10 hat Rahat hart getroffen. Die Stadt beklagt 14 Ermordete und zwei Bewohner sind noch in Geiselhaft.

Zum Fastenbrechen mit der großen Großfamilie des Scheich kamen auch zwei Soldaten. Ein Lehrer bekundete uns gegenüber Interesse an einem Austausch deutsche – jüdisch-israelische und beduinisch-israelische Schule.

Solidaritätsreise – Magen

Seit 1970 wohnt Martin Sessler im Kibbuz Magen. Er wurde 1947 in der Schweiz geboren und trat dort 1964 der sozialistisch-zionistischen Jugendbewegung Hashomer Hatzair bei. Nach seiner Lehrerausbildung und zwei Jahren beim Hashomer Hatzair in Paris setzte er sein Ideal vom sozialistischen Gemeinschaftswesen um und wurde Mitglied des Kibbuz Magen, der 1949 von rumänischen Schoa-Überlebenden in der unmittelbaren Nähe zum Gazastreifen gegründet worden war.

Martin Sessler lebte seinen sozialistischen Traum, auch wenn er manche Auswüchse des Kollektiv- und Kongruenz Ansatz kritisch sah. Auch das Leben an der Grenze zu Gaza war zunächst kein Problem, erzählt Sessler. In den 70er-Jahren bestanden offizielle Kontakte zwischen dem Kibbuz und den nahe gelegenen palästinensischen Dörfern.

Mit Israels Räumung aller Siedlungen und Abzug der Truppen aus dem Gazastreifen 2004 – was die Mehrheit der Israelis unterstützte – erhoffte man sich Besserung. Allerdings sollte der Rückzug unter dem Motto »Land für Frieden« geschehen.

Der Friede blieb Illusion, islamistische Terroristen übernahmen die Macht im Gazastreifen, und die umliegenden israelischen Siedlungen wurden zum Ziel von Raketenterror und Feuerterror.

Martin Sessler erzählt vom Leben im Kibbutz, dessen weltlichem und liberalen Charakter und den Spannungen mit dem meist von rechten Regierungen regierten Staat. Weiter führt er aus, dass der Sozialismus inzwischen Vergangenheit ist, seit vor etwa einem Jahr der Beschluss gefasst wurde weitgehend zu privatisieren. Heute wird ein System praktiziert, dass nicht mehr von jedem alles nimmt und gleichmäßig gibt, sondern es werden hohe Steuern an den Kibbuz errichtet, der dafür die soziale Absicherung garantiert und Ausgaben für medizinische Behandlung, Pflege und Kultur deckt.

Martin und seine Familie sind Binnenflüchtlinge und Überlebende des Massakers vom 7. Oktober. Sein Leben, so sagt Martin, hat er ein paar wenigen Sicherheitsleuten aus dem Kibbuz zu verdanken, die diesen mit den Absolventen einer militärischen Vorbereitungsakademie gegen eine Übermacht an Terroristen heroisch verteidigen konnten. Der Kampf wurde von Baruch Cohen dirigiert, der durch eine RPG schwer verletzt wurde.

Martin nimmt uns mit an den Ort des Geschehens, eine Anhöhe auf der Gaza zugewandten Seite des Kibbutz, wo die Schlacht um Magen stattgefunden hat.

Heute sind von den 600 Mitgliedern von Magen die Hälfte zurück. Wie viele nicht mehr zurückkehren werden, bleibt abzuwarten. Gerade junge Familien können sich die Rückkehr oft nur schwer vorstellen.

Solidaritätsreise – Nova Festivalgelände

Auf dem Gelände erinnern die Angehörigen der 364 Ermordeten und der 40 nach Gaza entführten Festivalbesucher*innen an den Horror des 7/10 als palästinensische Terroristen und in ihrem Nachgang Bewohner des Gazastreifen gefoltert, vergewaltigt und gemordet haben. Die einzelnen Opfer werden durch die Gestaltung der Gedenkstellen, die ihre Angehörigen geschaffen haben persönlich.

Shani Gabay war 25, Fan von Maccabi Haifa, aus Yokneam und hat Einlasskontrolle beim Festival gemacht. Sie konnte sich in einen Krankenwagen retten, der mehr als ein Dutzend Besucher*innen hätte vom Gelände bringen sollen, aber dann unter Feuer gekommen und von Granaten und RPG getroffen und zerstört wurde. Die Teile des Krankenwagens liegen zum Teil noch herum.

Shanis Vater und Mutter und Schwester haben erzählt, dass sie eine großartige junge Frau war und eine Instagram Seite zu ihrem Andenken eingerichtet wurde.


Solidaritätsreise – Platz der Entführten

Mit dem Schicksal der Entführten und ihrer Angehörigen direkt konfrontiert zu werden ist an sich schockierend und erschütternd. Vor dem Hintergrund der antisemitischen Täter-Opfer, wie sie vom Spiegel betrieben wird, ist es unerträglich. Wir danken Andrea Livnat für die Begleitung und den Angehörigen der Entführten des Nova, die uns die Menschen hinter den Plakaten vorgestellt haben. So hat uns Menashe, der Onkel des entführten DJ Elkana Bohbot das Schicksal der Entführten und deren Angehörigen sehr nahe gebracht.

BRING THEM HOME NOW!

Solidaritätsreise – Frauen in der Armee

Orit Adato erreichte in ihrer Karriere den Rang des Generalleutnant, den höchsten Dienstgrad der israelischen Armee. 2000 wurde sie zur Oberbefehlshaberin des israelischen Gefängnisdienstes ernannt und damit als erste Frau in Israel Drei-Sterne-Generalin.

Als Adato ihre Arbeit beim Gefängnisdienst antrat, gab es nur zwei Oberaufseherinnen, eine für ein Frauen- und eine für ein Jugendgefängnis. Nach dreieinhalb Jahren unter der Führung von Adato zählte der israelischen Gefängnisdienst sieben Oberaufseherinnen. Und dies geschah nicht in ruhigen Zeiten, sondern auf der Höhe der zweiten Intifada 2000-2003.

Die Delegation der DIG hatte die Gelegenheit sich von Orit Adato erklären zu lassen, wie sie als einzige Frau 1992 die Ausbildung zum Oberst am israelischen Sicherheits-College begann, Befehlshaberin des Frauenkorps wurde und auf dessen Selbstauflösung hinwirkte.

Für Adato war klar, dass sie nicht auf Änderungen warten, sondern diese selbst vorantreiben musste. Zu ihren beeindruckenden Verdiensten um die Beförderung von geeigneten Frauen in die höheren Ränge der Armee gehört, dass sie innerhalb von zwei Jahren die Anzahl weiblicher Oberst hat verdoppeln können.

Adato untersuchte die Möglichkeit der Integration von Frauen in neue Positionen. Sie erreichte, dass Männer und Frauen gemeinsam dienen, wenn es keine triftigen Gründe für eine Segregation gibt.

Durch die Anpassung von Ausrüstungsgegenständen wie Waffen, Helmen und Westen konnten mehr Frauen den Anforderungen an Kampfsoldaten gerecht werden. Tatsächlich gibt es heute drei integrierte kämpfende Bataillone – Caracal, Löwen des Jordan und Gepard, die in Infanterieeinheiten für den Grenzschutz zuständig sind.

Dass der Kampf gegen Vorurteile nicht der Vergangenheit angehört, machen manche Reaktionen auf die Zulassung der Frauen zur Ausbildung zur Panzerkommandantin deutlich.

Da das Programm darauf ausgelegt war, nur die Fähigkeit zur Durchführung der Routine-Grenzsicherheit zu testen, umfasste das Training keine umfassenden Kriegsübungen. Das Hinauszögern des Einsatzes von Frauen in Panzern trotz ihrer Eignung ist auf die Entscheidungslinie, Frauen nicht an der vordersten Front in feindlichem Territorium dienen zu lassen, zurückzuführen.

Zum einen stand Frauen das hartnäckige Vorurteil, sie könnten nicht gleichfalls töten im Weg, zum Andren die Angst vor der Gefangennahme.

Seit dem 7/10 sind die Diskussionen weitgehend hinfällig. Frauen in den Infanterieeinheiten haben sich in die Schlacht geworfen, rein mit Frauen besetzte Panzer haben gekämpft ohne dafür ausgebildet worden zu sein. Frauen wurden an der Front getötet und entführt.

Im Kampf war die Unterscheidung hinfällig. Die Kriegssituation mache aus der Zurückstufung von Frauen einen Nachteil für die Streitkräfte an sich. Israel muss seine personellen Ressourcen ausschöpfen. Dazu gehört auch das Potential der Hälfte der Bevölkerung in der es viele gibt, die darauf brennen ihr Land an vorderster Front zu verteidigen.